„Die Menschen in Blaulichtorganisationen sind unglaublich!“

Die GRÜNEN im Unterallgäu, Ostallgäu, in Memmingen und Kaufbeuren luden am Mittwoch, den 14.4.2021, zum ersten Café Blaulicht ein. Zu Wort kamen in der Online-Veranstaltung mit Landtagsfraktionssprecherin Katharina Schulze und Bundestagskandidat Daniel Pflügl zahlreiche Vertreter der Feuerwehr, der Bergwacht und des THW, ebenso wie Rettungssanitäter und Polizisten aus ganz Bayern. 

Gleich zu Beginn stellte Katharina Schulze als innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag klar: „Für uns ist das Entscheidende in der Innenpolitik, Ressourcen bereit zu stellen, damit alle Menschen in Bayern frei und sicher leben können.“ Freiheit und Sicherheit seien dabei kein Widerspruch, so Schulze: „Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung, dass ich frei sein kann. Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft und starke Institutionen, zu denen insbesondere die Blaulichtorganisationen gehören.“ Sie appellierte weiterhin, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausgebaut werden müsse: sowohl über Landesgrenzen hinweg, als auch auch zwischen den verschiedenen Organisationen.

Personalmangel und überlastete Kapazitäten

Von den Podiumsgästen aus verschiedenen Blaulichtorganisationen wollten Katharina Schulze und Daniel Pflügl wissen, wie sich ihre Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert hat und welche Forderungen und Wünsche sie an die Politik haben. Ein wichtiges Thema aller Organisationen war ein durch die aktuelle Krisensituation deutlich verschärfter Personalmangel – sowohl im Ehrenamt als auch bei hauptamtlichem Rettungsdienst oder der Polizei.
Im ersten Lockdown ab März 2020 sei es noch sehr ruhig gewesen, berichteten die Gäste. Aber der spätere „Lockdown Light“ und der weitere Pandemieverlauf habe viele Dienste an ihre Grenzen gebracht – nicht zuletzt auch aufgrund von Personalausfällen durch Covid-Erkrankungen mit Spätfolgen innerhalb der Teams. Im Rettungsdienst stehe momentan täglich infrage, wie der Rettungswagen besetzt werden kann, berichtete Stefan Lindauer, Rettungssanitäter und Bundestagskandidat im Landkreis Augsburg. Es sei mittlerweile Alltag, 12–14 Stunden durch zu fahren. Auch wegen kleinerer Krankheitsbilder müssten aufgrund der überlasteten Kapazitäten weiter entfernte Krankenhäuser angefahren werden. Dabei finden wichtige Abwägungen oft schon direkt vor Ort statt: Muss der Patient wirklich ins Krankenhaus oder kann er auch zuhause bleiben?

Glück im Unglück: keine großen Schneemassen

Auch bei der Bergrettung habe der erste Lockdown eine ruhige Zeit beschert, sagte Martin Ebert von der Bergwacht Kaufbeuren, im Sommer dagegen stiegen die Einsatzzahlen wieder deutlich: „Der Outdoortrend ist spürbar stärker geworden.“ Corona habe vor allem die Organisation durcheinander geworfen. Ein großes Problem für die Bergwacht, ebenso wie für THW und Feuerwehren, sind die aufgrund des Infektionsschutz ausfallenden Übungen. 
Bei Beginn der Pandemie gab es die Anweisung, dass der Betrieb komplett einzustellen sei, berichtete Felix Erbe, THW-Fachberater und Bundestagskandidat im Kreis Roth bei Nürnberg. Jetzt gebe es Auflagen, etwa maximale Personenzahlen in Einsatzfahrzeugen. Viele Einsatzbereiche fielen durch die Pandemie weg, was die Bindung der Ehrenamtler erschwere: „Der typische THWler ist ein aktiver Typ, die suchen sich jetzt auch was anderes,“ so Erbe.
Klaus Liepert, Sprecher des THW für den Regionalbereich Kempten und stv. Landessprecher, schaltete sich dazu und berichtete von durch die Pandemie hinzugekommene Einsatzgebiete des THW und von den Schwierigkeiten, die Ehrenamtlichen dazu beim Arbeitgeber freigestellt zu bekommen. Das THW unterstützte etwa den Kampf gegen die Pandemie beim Aufbau von Impfstationen und Testzentren oder bei der Verteilung von Material. Es fehle aber oft an der Wertschätzung, auch in finanzieller Hinsicht – etwa, dass durch ehrenamtliche Arbeit entstehende Lohnausfälle nicht ausgeglichen werden.
Man könne auch froh sein, „dass wir neben Corona derzeit keine wetterbedingten Katastrophen bekämpfen mussten wie vor zwei Jahren die Schneemassen im Berchtesgadener Land.“ Es sei unvorstellbar, wie solche Großeinsätze gerade unter Corona laufen sollten – mit Unterbringung und allen dazugehörigen Faktoren. Auch im THW fehlten die gemeinsamen Übungen für die verschiedensten Einsatzbereiche und der persönliche Austausch.

„Wir müssen wissen, mit wem wir durchs Feuer gehen“

Während der Pandemie fanden Feuerwehrübungen zunächst ausschließlich digital und entsprechend theoretisch statt, erzählte Leon Eckert, Bundestagskandidat, 3. Bürgermeister von Eching (Freising) und Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. Erst seit dieser Woche seien praktische Übungen in kleinen Gruppen wieder gestartet. Eckerts Kollege von der Pfaffenhofener Feuerwehr, Wilhelm Reim aus Geroldsbach, gab zu bedenken, dass während es während Corona Einheiten gab, die überhaupt nicht geübt hätten, dies sei jetzt ein Problem. Auch seien Feuerwehren immer noch nicht mit Tests ausgestattet. Große Stützpunkte hätten zwar Tests bekommen, kleine Kommunen aber dagegen meist noch nicht. 
Markus Barnsteiner, Kreisbrandrat im Ostallgäu, ergänzte, dass mit den eingeschränkten Möglichkeiten für Übungen auch die Kameradschaftspflege leide: „Wir müssen wissen, mit wem wir durchs Feuer gehen“. Es sei eine große Herausforderung, Leute nach der Pandemie wieder zu motivieren und hier müsse man schauen, dass man keine Leute verliere. Barnsteiner hätte sich gewünscht, dass die Feuerwehr mit größerer Impf-Priorisierung eingeordnet worden wäre. Aber die Einladungen seien dann doch zügig gekommen und es gehe voran mit dem Impfen. Auf Nachfrage von Katharina Schulze, wie die Frauen bei der Feuerwehr vertreten seien, schilderten Barnsteiner und Eckert, dass es bei den Kinder- und Jugendfeuerwehren bereits fast ausgeglichen sei. Viele Weggänge gebe es dann beim Übertritt in den aktiven Dienst – oft auch beruflich bedingt. Immerhin gebe es zwei Kommandantinnen und drei Stellvertreterinnen in den Ostallgäuer Feuerwehren, so Barnsteiner: „Wir versuchen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit gezielt darauf hinzuweisen, dass Frauen willkommen sind.“

Personalmangel bei der Polizei spitzt sich zu

Andreas Nominacher war als Vertreter der Polizei eingeladen. Der Polizist und Personalrat aus Waging forderte dringend mehr Stellen für Tarifbeschäftigte, um den Personalmangel zu beheben. Es gäbe Dienststellen, wo drei Kollegen zusammen auf 175 Jahre kommen und Dienststellen, wo keiner über 30 sei. „Das ist nicht nur nicht gut für die Alten, sondern auch nicht gut für die Jungen!“ Katharina Schulze fügte hinzu, dass auch fehlendes Wissensmanagement hier zum Problem würde. Nominacher beklagte, wie viele Veranstaltungen die Polizei mittlerweile begleiten müsse: „Wir brauchen auch Staatsschützer, die im Vorhinein analysieren und im Nachhinein ebenso!“. Es gebe insgesamt einfach zu wenig Personal. Zusätzliche Tarifbeschäftigte dürften somit auch nicht als Ersatz für Beamtenstellen gelten. Umstrukturierungen seien notwendig, um die Polizei fit für die Zukunft zu machen.

„Meine Arbeit besteht darin, mit denen zu arbeiten, die der Polizei viel Arbeit machen.“

Zu diesem Thema konnte auch Volker Goll aus dem Kreis Aschaffenburg etwas beitragen: „Meine Arbeit besteht darin, mit denen zu arbeiten, die der Polizei viel Arbeit machen. Wir sind viel in Kontakt mit der Polizei,“ erzählte der Fanbeauftragte. Seine Hauptaufgabe mit der Koordinationsstelle Fanprojekte sei die Prävention mit einem sozialpädagogischen Auftrag. Interessanterweise seien die Ultras und Hardcorefans die Ersten gewesen, die gesagt haben: „Hört auf mit den Fußballspielen, es gibt jetzt Wichtigeres!“ Die aktivsten Fangruppen hätten statt der Stadionbesuche die Essensausgabe an Tafeln übernommen, um ältere Ehrenamtliche zu entlasten. 

Daniel Pflügl freute sich über die große Resonanz und die Anregungen, mit in Zukunft regelmäßigen Blaulicht-Stammtischen den Austausch zu intensivieren. Gemeinsam mit Katharina Schulze war er als Kriminalhauptkommissar bereits auf Polizeikongressen und vergleichbaren Treffen. Die in stetigem Kontakt zu den verschiedenen Organisationen stehende Innenpolitikerin Schulze bedankte sich bei allen Einsatzkräften: „Menschen, die in Blaulichtorganisationen arbeiten, sind unglaublich, die packen an und machen. Ohne euch würde vieles nicht so funktionieren. Unser Job als politisch Aktive ist, euch das Rüstzeug zur Verfügung zu stellen, dass ihr euren Job richtig machen könnt.“

Hier könnt ihr die Veranstaltung nochmal anschauen:


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