Die Grünen im Unterallgäu trauern um Doris Kienle

Die Grünen im Unterallgäu trauern um Doris Kienle. Die ehemalige Kreisrätin und langjährige Vorstandssprecherin des Kreisverbandes ist am 24. Dezember im Alter von 81 Jahren gestorben. 

Doris Kienle galt in Ottobeuren und im gesamten Kreisverband als leidenschaftliche Kämpferin für Frauenrechte. Das Thema Gleichberechtigung war ihr immer ein Herzensanliegen. Dieses Engagement hinterließ innerhalb der Partei bayernweit seine Spuren. „Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern war ihr sehr wichtig, dafür setzte sie sich immer ein, ob in der Öffentlichkeit oder parteiintern“, sagt Katharina Schulze, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag. „Ich erinnere mich gerne an einige Gespräche mit ihr über die Herausforderungen von Frauen in der Politik und das Mutmachen von ihr. Frauen empowern Frauen – das hat Doris Kienle gelebt.“ Auch Stephanie Schuhknecht, aus Bad Wörishofen stammende schwäbische Landtagsabgeordnete und zuständig fürs Unterallgäu,unterstreicht Kienles Vorbildfunktion: „Sie argumentierte mit Leidenschaft und Überzeugung für die Gleichberechtigung von Frauen. Für sie war selbstverständlich, dass wir diese nur erreichen können, wenn wir Frauen Netzwerke bilden und uns gegenseitig bei den Herausforderungen unterstützen. Doris Kienle war für mich und viele junge Frauen genau diese Unterstützerin und ich bin ihr dafür sehr dankbar.“

Dass dieser Einsatz auch bei den Grünen, denen sie erst 1994 beigetreten war, nicht immer auf Gegenliebe stieß, forderte ihr eine gewisse Härte ab, die manch einer oder eine auch als Sturheit empfunden haben mochte. „Im Kreisverband habe ich mich dann durchsetzen müssen gegen die Männer – manchmal wussten sie gar nicht, wie ihnen geschah, und ich war auf einmal vorne dran“, erinnerte sie sich in einem Interview im Jubiläumsmagazin „40 Jahre GRÜNE Bayern“. Bald habe sie den Ruf gehabt, bei Frauenthemen intolerant zu sein. 

Wie wichtig und notwendig weibliche Unabhängigkeit und Selbstständigkeit für Doris Kienle waren, hat sie im vergangenen Jahr noch einmal in einem Video des Landesverbandes deutlich gemacht (das Video ist auf unserer Startseite unten eingebunden). Entscheidend sei, Alt und Jung zusammenzubringen und deutlich zu machen, was es heißt, selbstständig und solidarisch zu sein. Durch die Kriegswirren habe sie selbst schon früh lernen müssen, auf eigenen Füßen zu stehen. Doris Kienle wurde 1943 in Hohenwutzen auf der polnischen Seite der Oder geboren. Schon bis zum frühen Alter von zehn Jahren hatte sie ihre Eltern verloren. Nach einer Familienzusammenführung in Seelze bei Hannover absolvierte sie eine Ausbildung zur Stenokontoristin bei VW. Bereits 1964 mit 21 Jahren kam sie für ein Stellenangebot ins Unterallgäu nach Hawangen bei Ottobeuren. Dass sie sich hier niederlassen konnte, habe wohl auch an der ähnlichen Landschaft gelegen, in die sie hineingeboren worden war, sagt ihr Sohn Andreas Kienle, der gemeinsam mit ihr vor zehn Jahren ihre Heimat besuchen konnte. Relativ bald habe sie im Unterallgäu ihren Mann kennengelernt. 1966 kam Tochter Gabriele auf die Welt, Sohn Andreas folgte drei Jahre später. 1984 trennte sie sich von ihrem Mann. Politisiert wurde sie über ihre Tätigkeit im „Elternclub“, eine Ottobeurer Elterninitiative. Es folgten die typischen grünen Erweckungsthemen wie der Nato-Doppelbeschluss oder die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. Von 1976 an engagierte sie sich in Memmingen für das „Frauenzimmer“, ein Rückzugsort und Veranstaltungszentrum für Frauen. 

Ganze 30 Jahre war Doris Kienle Kreisrätin im Kreistag Unterallgäu. Heinz Steil, ehemaliger Co-Sprecher im Kreisverband an der Seite von Doris Kienle, betont, wie groß ihr Engagement war. Sie habe mit Leidenschaft für ihre Überzeugungen eingestanden und zum Teil hart mit politischen Gegnern, aber auch mit ihren Parteikolleginnen und -kollegen gerungen. „Doris ging es dabei aber nie um sie selbst, sondern immer um die Sache“, betont Steil, der viele Jahre im Kreistag mit ihr in der Ausschussgemeinschaft von Grünen und ÖDP saß. Dank ihrer Hartnäckigkeit konnte sie auch dort große Erfolge erzielen, zum Beispiel als die Kreiskliniken privatisiert werden sollten. Der damalige Landrat Hermann Haisch strebte damals einen einstimmigen Beschluss im Kreistag zur Privatisierung an. Die Ausschussgemeinschaft stimmte jedoch mehrheitlich dagegen. Am Ende schloss man einen Kompromiss und richtete eine gemeinnützige GmbH unter Trägerschaft des Kreises ein. Bei der Schließung des Militärflughafens Memmingerberg war Doris Kienle eine der treibenden Kräfte eines Bürgerbegehrens gegen eine weitere zivile Nutzung als Flughafen. Die Gründung des ersten Frauenhauses in Memmingen geht ebenfalls auf Ihre politische Initiative zurück.

Auch wenn die Arbeit in einer Partei ihrem Naturell und dem Drang nach Unabhängigkeit eigentlich widersprach, so engagierte sie sich dennoch innerhalb der verschiedenen Gremien. Die Gründung diverser Ortsverbände wie Ottobeuren ist ebenfalls ihrem Engagement zu verdanken. Mit Wörishofens Stadträtin Paola Rauscher war sie zuletzt für die Bundesparteitage (BDK) delegiert. Die grüne Mitstreiterin empfand die Zusammenarbeit immer als bereichernd und lobt ihre gedankliche Unabhängigkeit: „Ohne die innere Selbstständigkeit hätte sie nicht dieses erfüllte Leben führen können.“ Dass sie ein Gefühl grüner Selbstbestimmtheit und -gewissheit repräsentierte, bringt Rauscher so auf den Punkt: „Mit Doris auf der BDK sein, war einfach cool.“ Doris Kienle ist nach kurzer, schwerer Krankheit am 24. Dezember 2024 im Alter von 81 Jahren im Klinikum Kempten verstorben. Sie hinterlässt zwei Kinder und fünf Enkel. Der Kreisverband Unterallgäu und der Ortsverband Ottobeuren werden Doris Kienle immer ein ehrendes Andenken bewahren.